Mittwoch, 16. März 2022
Eintauchen
Während ich gestern vor den ersten Regentropfen Zuflucht suchend unter einem Treppenvorsprung stand, der sepiagetränkte Himmel die Augen schmerzen ließ, umkreiste mich deine Stimme wieder.

Wie viele Stunden wir wohl in all den Jahren schon am Telefon miteinander verbracht haben?

Seit gestern denke ich erneut darüber nach, womit man es bloß geschafft hat, über ein Jahrzehnt nur durch eine Stimme so eingenommen zu werden.
Ein bisschen skurril ist das ja allemal.

Was lässt uns voneinander nicht loskommen?

Stimmfarbe. Sprechweise. Wortwahl. Stimmfrequenz. Dialekt.
All das ist nur ein geringer Anteil des Klebers.

Dazu kommt noch Inhalt, Gedankenanstöße, Frechheiten, Ehrlichkeit, Wahrnehmung.

Tatsächlich ist es egal, ob wir einmal oder zigmal in der Woche miteinander sprechen, ich werde dessen nicht müde.

Nach all diesen Stunden bin ich nach wie vor neugierig auf dich.
Nicht nur zwischen den Laken, sondern das Kleid drumherum.

Es schadet meinem Universum, aber es bereichert mich.
Dieses Eintauchen in sein Gegenüber.
Ich versuche im Moment die drei geheiligten Wörter zu vermeiden. Zum Selbstschutz und damit der Meeresbewohner nicht völlig verloren geht in seinem Universum.
Fällt mir nur ziemlich schwer, wenn die körperliche wie auch gedankliche Nähe so extrem ist.
Dass das aus Telefonaten heraus entstehen kann, ist immer noch überraschend und wenig zu begreifen, zu fassen für mich.
Das ist mir so noch nie passiert im Leben.

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